Jurybeurteilung
Das Projekt mit dem Titel „Reflexion“ widmet sich in engagierter Weise dem Erhalt von Bausubstanz. Im 70er-Jahre-typischen, eher ‚handfest’ detaillierten Betonbau des Gymnasiums Neustadt an der Waldnaab stecken jede Menge graue Energie, aber auch jede Menge Erinnerungen. Beide sind unsichtbar und in der Regel nicht besonders relevant bei baulichen Entscheidungen; hier jedoch wird der Bestand geradezu gefeiert.
Außergewöhnlich ist beispielsweise, dass die brutalistische Betonfertigteilfassade nicht hinter einer neuen, gedämmten Haut versteckt, sondern mittels eines verspielten Ornaments inszeniert wird: In die Rillen der Fassadenelemente wurden in regelmäßigem Abstand spiegelnde Streifen eingesetzt, die das ganze Haus schillern lassen. Für den erforderlichen Wärmeschutz sorgt eine Innendämmung. Die Fluchttreppen wurden in einem neuen, komplett verspiegelten Anbau untergebracht – eine Entscheidung, die die Jury intensiv diskutierte: Soll sich hier eine neue Schülergeneration fortwährend selbst bespiegeln? Die Dominanz des Spiegelturms täuscht aber auf den Bildern, er ist ein eher kleines Bauteil, ein Highlight am Haupteingang. Im Inneren fallen die Gemeinschaftsbereiche – Halle, Bibliothek, Flure – ins Auge. Sie sind mit hochwertigen Materialien hell und aufgeräumt gestaltet; hier werden Schüler ernst genommen!
Standort:
Neustadt an der Waldnaab
Fertigstellung:
2023
Architekt:
Brückner & Brückner Architekten, Tirschenreuth | Würzburg
Bauherr:
Landkreis Neustadt a.d. Waldnaab, vertr. d. Landrat Andreas Meier, Neustadt a.d. Waldnaab
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Jurybeurteilung
Die Neumarkter Christuskirche hat ihren Ursprung im 17. Jahrhundert, sie war Scheune und Wirtschaftsgebäude, seit 1855 wird sie von evangelischen Christen genutzt. Das wuchtige Kreuz, das den gemarterten Christus zeigt und die Kanzel aus den 1930er-Jahren entsprachen nicht mehr dem zeitgemäßen, modernen Glauben. Der schlichte Bau mit hohem, spitzen Turm, war zudem marode, daher entschied die Gemeinde sich für eine Sanierung und Umgestaltung. In Workshops setzten sich die Architekten Brückner & Brückner mit den Vorstellungen und Wünschen der Mitglieder auseinander: Nach zwei Jahren Bauzeit zeigt sich die Christuskirche seit Mai 2023 als überzeugend lichter, monchrom weiß gehaltener Kirchenraum, der zum zeitgemäß sakralen Ort werden kann – für unterschiedliche Arten von Gottesdiensten, für Gemeinschaft und Miteinander verschiedener Generationen und Konfessionen, für Ruhe und Meditation, Kunst und Kultur. Die Jury wertschätzt die Klarheit und Reduktion der Architektur. Der asketische Raum, in dem die Raumkanten zu verschmelzen scheinen, lässt sich von außen nur durch kleine, fein gesetzte Eingriffe erahnen und wirkt im Inneren umso überwältigender. Seine Entsprechung findet er in den sorgsamen Details und der qualitätvollen Ausführung.
Standort:
Neumarkt in der Oberpfalz
Fertigstellung:
2023
Architekt:
Brückner & Brückner Architekten, Tirschenreuth | Würzburg
Bauherr:
Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Neumarkt i.d. OPF, Neumarkt
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Jurybeurteilung
Das historische Stadelmannanwesen – vermutlich das älteste noch erhaltene Gebäude aus der Hochgotik in Freystadt – wurde stetig um- und weitergebaut. Zwischenzeitlich von starken Baumängeln gezeichnet, wurde es von der Stadt gerettet, ein neues Nutzungskonzept musste her. Vor allem aber sollte sein authentisches, historisches Erscheinungsbild sowie die bauliche Struktur aus der Bauphase um 1700 erhalten bleiben. Der Altbau wurde daher nach historischem Vorbild ansprechend saniert. Scheune und Garagen jedoch sind einem zweigeschossigen Neubau mit Satteldach gewichen. Dem städtebaulichen Kontext entsprechend wurde der Neubau gekonnt traufständig Richtung Schwallgasse positioniert. Die typische Scheunenbebauung wurde somit interpretiert und sinnfällig wiederaufgenommen. In seiner architektonischen Gestalt bedient sich der Ersatzneubau, der u.a. den Rathaussaal beherbergt, ortstypischen Gestaltungselementen und Materialien.
Der neu gestaltete, schwellenlose Innenhof schafft zusätzliche Aufenthaltsqualität und bildet den zentralen Verteiler. Von dort gelangen die Besucher ebenerdig in das zweigeschossige Bürgerhaus, das um einen Aufzug ergänzt wurde und nun barrierefrei erreichbar ist. Der Zugang zum 1. Obergeschoss und somit auch zum Bürgersaal bzw. Mehrzweckraum erfolgt über einen offenen Laubengang am Mittelbaukörper. Dieser übernimmt die Funktionen des Foyers und agiert als Verbinder und Verteiler zwischen Alt- und Neubau. Es sind die leisen und bescheidenen Töne, die überzeugen, der Ort hat einen sensiblen und zugleich architektonisch konsequenten Bau erhalten. Das Stadelmannanwesen zeigt ein respektvolles Miteinander von Alt und Neu, im Spannungsfeld zwischen historischem und zeitgenössischem Bauen.
Standort:
Freystadt
Fertigstellung:
2023
Architekt:
KÜHNLEIN Architektur, Berching
Bauherr:
Stadt Freystadt, Freystadt
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